AGNU-Wiesentag am Sonntag 12. Juni 2022

Die von der AGNU gepachteten, ungespritzten und ungedüngten Ausgleichsflächen an der Niederbergischen Allee in Gruiten stehen prächtig in Blüte. Ein Meer von Margeriten, Lichtnelken und anderen Wiesenblumen wartet darauf, zu duftendem Wiesenheu geschnitten zu werden.

Die Ökowiese ist Mitte Juni prallvoll mit Leben. Heuschrecken, Käfer, Fliegen, Tag- und Nachtfalter, Wild- und Honigbienen: Vom Insektensterben ist hier wenig zu spüren. Die AGNU-Wiesen dürfen zwar normalerweise nicht betreten werden, aber auf einer begrenzten Fläche machen wir auch in diesem Jahr wieder eine Ausnahme.

Einen Wiesen-Blumenstrauß umsonst!


Wer? Jede(r) Haaner Bürger*In kann sich am Wiesentag einen Blumenstrauß selbst pflücken. Mit der Herkunft nehmen wir es nicht so genau. 😉


Wann? Sonntag, 12. Juni 2022, 10.00 – 15.00 Uhr


Wo? Niederbergische Allee, zwischen Kreisverkehr Gruitener Straße und Firma Aperam

Mitbringen?
Gute Laune und Gutes Wetter! Messer oder Schere zum Blumenschneiden. Becherlupe zum Anschauen der Kleintiere. Handy oder Kamera zum Fotografieren.

Was noch?

Wir bieten Euch Bestimmungshilfe mit Hilfe der digitalen apps von observation.org, und Infos über den Bioblitz im Kreis Mettmann und anderswo.

Wie schon im vergangenen Jahr werden wir wieder kostenloses Saatgut von verschiedenen Wildpflanzen anbieten. Dieses Jahr kann man auch Saatgut von der Wiesen-Margerite bekommen, sodass jeder z.B. in seinem Rasen eine Margeriten-Insel anlegen kann. Weiter sind Informationen erhältlich, wie man seinen Garten zu eine „Insekten-Oase“ machen kann.

Spenden sind willkommen!

AGNU Haan e.V. Stadtsparkasse Haan: IBAN-Nr.: DE37 3035 1220 0000 2210 85

Und zum Schluß?

Nach Providerwechsel und Umzug liegt die neue Webseite der AGNU in der Regie von Sven Kübler unter www.agnu-haan.de. Nach fast 12 Jahren endet damit die Geschichte der AGNU-Webseite an dieser Stelle. Bitte abonniert zukünftige Beiträge auf der neuen Webseite.

Wir sehen uns dann!

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Eulenfalter: Nicht immer nur die Vögel füttern!

Eulenfalter im Frühjahr: Cerastis leucographa, Männchen mit stark gefiederten Fühlern (Foto: Dahl)

Das zeitige Frühjahr ist die Zeit der sogenannten „Kätzchen-Eulen“, das sind in unserer Region eine Handvoll Eulenfalter-Arten die sich Vorfrühling leicht in jedem halbwegs anständigen Garten finden lassen. Die Eulenfalter (lat. Noctuiden) gehören zu den Schmetterlingen, und haben mit den verächtlich „Motten“ genannten Kleinschmetterlingen nichts gemeinsam.

Man braucht eigentlich nur eine Taschenlampe, und wenn es an den März-Abenden richtig dunkel draussen ist, kann es schon losgehen. Abgesucht werden die frischen Schnittstellen der Heckensträucher, hier tritt vor dem Laubaustrieb immer ein wenig Pflanzensaft aus, und den lassen sich die Falter schmecken.
Noch einfacher geht es mit einer Köder-Mischung aus billigem Rotwein, Zucker, Apfelmus oder Banane, die man mit ein wenig Soßenbinder zu einer Pampe verrührt und mit dem Pinsel an Zaunpfosten oder Baumstämme streicht.  Zur Not klappt es auch mit einem in Rotwein oder Bier eingeweichten Küchenkrepp, das an einen Baum gepinnt wir. Hauptsache ein wenig Alkohol ist dabei, der trägt die Duftstoffe in die Landschaft und das lockt die Falter an.
An der „Eulenfütterung“ sammeln sich am Abend oft größere Menge an Faltern, und die Pampe wirkt wochenlang, wenn  sie nicht gerade vom Regen abgewaschen wurde.  Á propos Regen: Leichter Regen macht den Kätzcheneulen rein garnichts aus, im Gegenteil fliegen sie besonders gerne an milden Abenden mit Nieselregen, und lassen sich auch durch Wind nicht abhalten.

Da jetzt die Flugzzeit beginnt, hier mal eine kleine Auswahl der leichter erkennbaren Arten.

Übrigens: wer einmal mit der Taschenlampe blühende Obstbäume abgesucht hat, der weiß: Nachts wimmelt es an manchen Tagen dort geradezu von Eulenfaltern, die ebenso wie Bienen dort nach Nektar suchen. Da sowieso nur jede 50. Apfel- oder Kirschblüte einen Apfel ergeben kann (sonst würde der Baum zusammenbrechen), reicht die Bestäubung durch die Nachtfalter auch in von Honigbienen freien Zonen aus, um eine ordentliche Obsternte zu erreichen.
Nur das Umfeld sollte habwegs stimmen, die Raupen der Kätzcheneulen fressen an Gehölzen wie Weiden, Pappel, Eiche und Schlehe. Und wen das stört der denke mal an die Meisen und andere Gartenvögel, die ihre Brut mit Raupen versorgen müssen. Die Mär von der hohen Bedeutung der Honigbienen als Bestäuber ist wie so vieles in der Nutztier-Landwirtschaft – eben ein Marketing-Märchen.
Zuverlässige Bestimmungshilfe für einheimische Nachtfalter gibt es im Internet unter https://observation.org oder mit den dazugehörigen Handy-Apps, z.B. obsidentify. Voraussetzung ist immer ein halbwegs ordentliches Digitalbild, aber das liefert heutzutage ja jedes Smartphone.

Viel Spaß beim Eulenfüttern im Frühling!l

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Aufstellen des Haaner Krötenschutzzauns am 5. März – wir brauchen eure Hilfe!

Im März ist in Gruiten Krötenhochzeit.

Jeden Frühling machen sich unterschiedliche Amphibienarten auf den Weg zu ihren Laichgewässern. Bei uns in Haan-Gruiten auf dem Hermgesberg leben Erdkröten, Grasfrösche, Salamander, Berg- und Kammmolche. Ihre Zahlen nehmen seit einigen Jahren dramatisch ab. Schutzzäune entlang von Straßen verhindern, dass sie beim Überqueren der Fahrbahn zu Tode kommen.

Helft mit und werdet Lebensretter!

Wo:

Quarterhorse-Ranch, Hermgesberg 1 (Achtung: Parken erlaubt nur auf dem Wanderparkplatz Hermgesberg und von da aus dann per Fußmarsch von etwa 500m zur Aufbaustelle)

Wann:

Samstag 5. März 2022 ab 15.00 Uhr

Für Familien mit Kindern und alle Interessierten ist dies eine wunderbare Gelegenheit, beim Naturschutz aktiv mitzuwirken. Bringt Gummistiefel, Arbeitshandschuhe, Spaten oder Schaufeln mit: Wir machen uns dreckig!

Während der Zaun steht (etwa bis Ende April), bietet die AGNU geführte Wanderungen an. Nach Sonnenuntergang gehen wir gemeinsam die Schutzzäune ab, lernen etwas über die gefundenen Tiere und horchen in die Nacht hinein, was da sonst noch so um uns herumläuft und -fliegt.

Anmeldungen bitte per Mail an

kroeten@oogi.de


Wer keine Zeit zum Helfen hat, kann die AGNU übrigens auch gerne mit einer Spende unterstützen! Ob für Zaunmaterial, Geräte, TÜV für den Anhänger, oder Spritgeld für die Helfer: Professioneller Naturschutz kostet Geld, und Spenden sind immer willkommen. Unsere Spendenseite findet ihr hier

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Der Kreis und der Verkehr

Haan-Gruiten, Ortsteil Schilda, Februar 2022 (Foto: Agnukiebitz)

Radfahrer absteigen, aufsteigen, absteigen, aufsteigen.. Fußgänger besser gar nicht herumlaufen. Der Kreisverkehr am Ende der Niederbergischen Allee gibt den zukünftigen Benutzern allerlei Rätsel und Aufgaben auf.

Fußgänger dürfen den Kreisel Höhe Champagne nicht in Richtung Niederbergische Allee überqueren. Blinde Radfahrer (siehe das spezielle Pflaster!!) dagegen schon!

Falls sich jemand etwas bei der Beschilderung gedacht haben sollte, wäre es vielleicht hilfreich, den Vorgang noch einmal zu wiederholen, BEVOR die neue Gruitener Ortsumfahrung regulär in Betrieb geht.

Und, weil´s gerade so schön ist: Der neue Radweg vis a vis der Birkensauna, der endet Richtung Gruiten im Nirvana mit Kantsteinabschluss, ist aber brav als Radweg beschildert.

Ratlos grüßt,

der AGNU-Kiebitz

P.S. Zur allgemeinen Info hier folgend noch die Pressemitteilung der Stadt Haan zur geplanten Öffnung der Niederbergischen Allee für den Schwerverkehr.

Dass der Schwerverkehr jetzt nicht mehr an Gruiten vorbei und dann von Westen ins Industriegebiet fahren soll, ist schon mal eine gute Nachricht.

Positiv aus der Sicht des AGNU-Kiebitzes vor allen das Parkverbot auf dem neuen Straßenabschnitt. Dass die Fußgänger bzw. der entsprechende Gehweg bei der Maßnahme mal wieder als letztes dran sind, ist eigentlich so wie immer. Spaziergänge auf der neuen Trasse sind damit dann nur – verbotenerweise – auf dem Fahrradweg möglich. 🤔

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Nach sechs Wochen BioBlitz liegt der Kreis Mettmann auf Platz sechs

bioblitz

BioBlitz 2022 Kreis Mettmann, Stand 14. Februar 2022: Monheim und Haan sind aktuell  Schwerpunkte.

Sechs Wochen ist das Jahr 2022 schon alt, und genau so lange läuft der BioBlitz der öffentlichen Datenbank Observation.org, für den wir alle nichts weiter tun müssen als ein wenig genauer hinschauen und ein paar Fotos mit dem Handy machen. Was auf den ersten Blick wie ein herrlicher Blödsinn aussieht, entfaltet bei genauerem Hinsehen eine schöne Dynamik: Im Kreis Mettmann beteiligen sich bisher fast 60 Personen am BioBlitz, mehr als 400 Arten wurden bisher dokumentiert. Und dabei ist der Winter noch nicht einmal zu Ende. 

Der BioBlitz „Landkreise und kreisfreie Städte“ soll spielerisch und mit etwas Wettbewerbs-Charakter die Menschen dazu animieren, sich an der Erfassung unserer belebten Natur zu beteiligen. Die dabei erhobenen Funddaten stehen für die Grundlagenforschung und den Naturschutz zur Verfügung. Bitte helfen Sie mit!

Durch die Nutzung der App ObsIdentify, die über eine automatische Bestimmungsfunktion verfügt, kann man auch ohne Artenkenntnisse mitmachen. Benötigt wird hierfür lediglich ein Handy mit halbwegs guter Kamera. Die Bestimmungsfunktion kennt noch nicht alles, wird aber immer besser. Die Meldungen werden durch ehrenamtliche Fachleute geprüft, so dass am Ende ein gewaltiger Datensatz zustande kommt, der wissenschaftlich ausgewertet werden kann.

Wer Sie sich schon besser auskennt, kann auch die Profi-Apps ObsMapp und iObs oder die Webseite Observation.org zum punktgenauen Eintragen der Funde verwenden! Dort kann man natürlich auch hochwertige Naturfotos hochladen, die nicht per Smartphone entstanden sind. Einfach registrieren und los geht’s!

Federgeistchen (Alucita hexadactyla) überwintern in dunklen Kellern und Höhlen. Haan-Gruiten, 12. Februar 2022 (Foto: Dahl)

Mitmachen!

So richtig spannend wird der Bioblitz natürlich erst im Frühling, wenn Blütenpflanzen und Insekten etwas einfacher zu beobachten und dokumentieren sind als aktuell. Aber auch jetzt schon gibt es ein tolle Arten zu beobachten. Partner für den BioBlitz in der Region sind unter anderen die Biiostation Haus Bürgel und die Station Natur und Umwelt Wuppertal.

Infos und Anleitungen gibt es unter www.bioblitze.lwl.org oder in diesem Video zur Erklärung von BioBlitz 2022.

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Projekt DINA – Insekten in Naturschutzgebieten sind stark mit Pestiziden belastet

Insekten in Naturschutzgebieten sind stark mit Pestiziden belastet. Das zeigt eine aktuelle Studie unter Beteiligung der Universität Koblenz-Landau. Im Schnitt sind die Tiere mit 16 unterschiedlichen Pestiziden belastet. Keines der in Deutschland untersuchten Schutzgebiete war unbelastet, so ein weiteres Ergebnis der Studie, die am 16.12.2021 in der Fachzeitschrift „Scientific reports“ erschien. Pestizide wurden bisher im Schutzgebietsmanagement nicht beachtet, Risikoanalysen fehlen und konventionell mit Pestizideinsatz bewirtschaftete Ackerflächen liegen mitten in Schutzgebieten und umranden diese.

Malaisefalle des Entomologischen Vereins Krefeld, Ökowiese Kriekhausen. 29. Mai 20218

Irgendwie hat man es ja immer schon geahnt, bislang haben sich allerdings die Ministerien für Ernährung & Landwirtschaft (BMEL) und die nachgeordneten Institute wie das Julius-Kühn-Institut bei der Aufklärung der Fakten rund um das Insektensterben nicht gerade ein Bein herausgerissen. Seit der „Insektensterben-Studie“ des Entomologischen Vereins Krefeld kam allerdings Bewegung in die Sache. Und es gibt Neuigkeiten, auch wenn sie nicht gerade zur besinnlichen Weihnachtszeit passen:

In den vergangenen drei Jahrzehnten sind nachweislich mehr als 75 Prozent der Biomasse an Insekten in deutschen Naturschutzgebieten verschwunden. Die vom Weltbiodiversitätsrat (IPBES) beschriebene Biodiversitätskrise findet in Deutschland also auch mitten in Schutzgebieten statt. Das Fatale: Ohne Insekten brechen Ökosysteme zusammen, können zum Beispiel Pflanzen nicht mehr ausreichend bestäubt werden. Expertinnen und Experten vermuten Pestizide als einen der Hauptverursacher für den dramatischen Rückgang. „Unsere Daten zeigen deutlich, dass Insekten in Naturschutzgebieten mit einem Cocktail aus Pestiziden belastet sind“, unterstreicht Dr. Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Im Projekt DINA (Diversity of Insects in Nature protected Areas), in dem unter der Leitung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) neun Partner über zwei Jahre die Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten in Deutschland erfasst und dokumentiert haben, haben er und sein Team die Pestizidbelastung von Insektenmischproben unter die Lupe genommen. Dabei haben sie mit einer neu entwickelten Methode erstmals geschaut, wie stark die Insekten selbst belastet sind. Bisherige Studien haben ausschließlich Daten über die Belastung von Luft und Boden erhoben.

Im DINA-Projekt wurde nach einem standardisierten Protokoll mit Serien sogenannter Malaisefallen in 21 Schutzgebieten gearbeitet, in denen die erfassten Insekten in Alkohol konserviert werden. Gleichzeitig wirkt Alkohol als Lösungsmittel für Pestizide. Dadurch konnte das Landauer Forschungsteam direkt untersuchen, welche Pestizide an diesen Untersuchungspunkten an den Insekten hafteten. „Mit unserer Methode können 92 aktuell in Deutschland zugelassene Pestizide gleichzeitig in geringen Mengen analysiert werden“, erklärt Nikita Bakanov aus der Landauer Forschungsgruppe. Ausgewertet haben die Forschenden Daten aus den Schutzgebieten von Mai und August 2020.

Insektengemeinschaften mit bis zu 27 Pestiziden belastet

Auf den Insekten haben die Wissenschaftlerinnen und WIssenschaftler über die Gebiete verteilt 47 der 92 Pestizide gefunden. Im Schnitt konnten sie 16 verschiedene Pestizide auf Insekten der einzelnen Naturschutzgebiete nachweisen. In einem Schutzgebiet bestand die Belastung auf den Tieren sogar aus 27 verschiedenen Stoffen. Die minimale Belastung lag bei sieben Pestiziden. „Wenn man bedenkt, dass die Risikobewertung im Rahmen der Zulassungsverfahren von Pestiziden davon ausgeht, dass Insekten mit nur einem Pestizid in Kontakt kommen, liegt auf der Hand, wie realitätsfern diese Bewertungspraxis ist“, unterstreicht Brühl. Überrascht haben Brühl, der seit 20 Jahren zu den Auswirkungen von Pestiziden auf die terrestrische Umwelt forscht, die Ergebnisse nicht. „Es ist gut, dass wir unsere Annahmen dank der neuen Methodik jetzt auch zeigen und belegen können“. Der Ansatz baut auf einem Vorprojekt auf, in dem die Landauer Forschenden überlegt haben, über welche unterschiedlichen Wege Insekten potenziell mit Pestiziden in Kontakt kommen können.

Schutzzonen von zwei Kilometern nötig

Die Ergebnisse haben die Forschenden mit einer Raumanalyse der Projektpartner kombiniert. „Wir wollten herausfinden, wo die Insekten die Pestizide aufnehmen“, erklärt Lisa Eichler vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden. Das Ergebnis der Analyse: Die Insekten haben die Pestizide auf der Anbaufläche in einem Umkreis von zwei Kilometern aufgenommen. Die Erklärung: Naturschutzgebiete in Deutschland sind in der Regel klein. Im Durchschnitt haben sie eine Größe von unter 300 Hektar, 60 Prozent sind sogar kleiner als 50 Hektar. Sehr viele Insekten haben aber einen großen Flugradius. „Politik, Wissenschaft und Landschaftsplanung müssen daher Pufferzonen einplanen und dabei in anderen Skalen denken, 10 bis 20 Meter reichen da nicht aus“, unterstreicht Dr. Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld. Pufferzonen um Naturschutzgebiete und auch Schutzgebiete aus dem europäischen Natura-2000-Programm, in denen keine synthetischen Pestizide eingesetzt werden dürfen und die ökologisch bewirtschaftet werden, müssten etabliert werden. Die Landschaftsplanung sollte in diesen Puffergürteln von zwei Kilometern Breite um die Naturschutzgebiete ein Risikomanagement verwirklichen und dort prioritär Ökolandbau fördern, so die Empfehlung der Forschenden.

Denn Berechnungen des Forschungsteams zeigen: Würde man einen solchen Schutzraum für alle Naturschutzgebiete deutschlandweit umsetzen, beträfe das 30 Prozent der Agrarfläche. „Diese Zahl mag auf den ersten Blick groß erscheinen“, so Brühl, aber entspräche der Forderung der EU nach 25 Prozent und der neuen Ampelkoalition nach 30 Prozent an Bio-Landwirtschaft bis 2030. „Mit unserer Untersuchung liefern wir Empfehlungen zur Umsetzung dieses Transformationszieles, für das die Politik noch neun Jahre Zeit hat“.

Gezielte Forschung und Ökolandbau in und um Schutzgebiete

Die neue Ampelkoalition fordert den erhöhten Anteil der ökologisch bewirtschafteten Agrarfläche, die EU will ebenfalls bis 2030 synthetische Pestizide um die Hälfte reduzieren. „Das politische Ziel ist da, getragen wird es auch durch die Nachfrage der Verbraucher nach Bio-Lebensmitteln. Wichtig ist nun die gezielte Umsetzung“, unterstreicht Brühl. „Auch die Zukunftskommission Landwirtschaft kam in diesem August zu dem Schluss, dass sich etwas ändern muss.“ Allerdings habe deren formulierte Zukunftsvision keine Anteile von ökologischem Anbau festgelegt und auch die Reduktion des Pestizideinsatzes ausgelassen. Nötig sei nun, so Brühl, die Landwirte in der Transformation beratend zu unterstützen und den ökologischen Anbau dort anzusiedeln, wo er am dringendsten gebraucht wird – als Pufferzonen um Schutzgebiete. „Streng geschützte“ Lebensräume nach EU-Recht würden dann auch in der Realität vor Pestizideinflüssen geschützt. Ökolandbau sollte somit als Instrument für den wirksamen Schutz und die Erhaltung der Artenvielfalt in den Gebieten eingesetzt werden, die zu diesem Zweck ausgewiesen sind.

„Die Entwicklungsarbeit hin zu einem gezielt eingesetzten Ökolandbau 2.0 muss mit massiver Forschung unterstützt werden“, verdeutlicht Brühl. Parallel dazu müsste kontinuierlich beobachtet und überwacht werden, wie sich die Insektengemeinschaften und der Einsatz von Pestiziden entwickeln, fordern die Forschenden weiter. Die im DINA-Projekt etablierten Monitoring-Methoden seien dafür besonders geeignet.

Hintergrund der Studie

Neun Partner haben unter der Leitung des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) im Projekt DINA (Diversity of Insects in Nature protected Areas) die Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten über zwei Jahre erfasst und dokumentiert. Finanziert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Neben der Universität Koblenz-Landau ist auch der Entomologische Verein Krefeld Partner im DINA-Projekt, der 2017 erstmals in einer Publikation den Rückgang der Insekten-Biomasse, sprich der gesamten Masse an lebenden Insekten, dokumentiert hat. In 21 repräsentativen Naturschutzgebieten, die verschiedene Habitate über ganz Deutschland verteilt abdecken, haben die DINA-Partner Insektenpopulationen erfasst und die Umwelteinflüsse auf die Tiere erforscht. Die Untersuchungsstandorte im DINA-Projekt sind zudem „streng geschützte Lebensräume“ im Natura-2000-Programm der Europäischen Union. Alle untersuchten Schutzgebiete liegen in der Agrarlandschaft und sind von konventionell genutzten Flächen umgeben. Weitere Informationen unter https://www.dina-insektenforschung.de.

Publikation:
Brühl C.A., Bakanov N. et al. (2021): Direct pesticide exposure of insects in nature conservation areas in Germany. Scientific Reports. www.nature.com/articles/s41598-021-03366-w

So weit, so schlecht, die Pressemitteilung der Uni Landau-Koblenz. Zum Schluß noch ein Statement eines der Autoren der oben angeführten Studie, des Essener Biologen Thomas Hörren: „Mir stellt sich tatsächlich die Frage nach einer qualifizierten, interdisziplinären Naturschutzforschung, wenn solche Daten zum ersten Mal im Jahr 2021 aufgedeckt werden“.

 

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Vorsicht, keine Schlange!

Das Sommerwetter 2021 hat etwas vom Tropischem Regenwald, der Juni war sehr warm, der Juli bisher schwül und nass, und die Insektenwelt entwickelt sich prächtig, auch an ungewöhnlichen Plätzen.

Vor ein paar Jahren gab es eine Anfrage aus dem neuen Industriegebiet an der Niederbergischen Allee. Eine Blumenwiese sollte es sein, rund um eine seeehr schicke kleine Industriehalle. Verschiedene AGNUrianer halfen bei der Anlage und Beratung, die Eigentümer sind eher keine Gärtner, einerseits sollte es schön bunt sein, dann aber auch ein wenig repräsentativ, und vor allem nicht unordentlich.

Das Ganze entwickelte sich nur mühsam, durch die Dürre verzögerte sich die Keimung der Samen, das Wiesenstück sag ein wenig gerupft aus, jedenfalls nicht so schön wie auf den Bildern der Saatgut-Firma. Der Huflattich wuchs prächtig auf dem nackten Lehm, aber spätestens als er seine seine Samenschirmchen verstreute, da wollte man´s doch lieber etwas aufräumen. Immerhin behielten die Eigentümer die Nerven, und holten nicht den Landschaftsgärtner mit dem Rollrasen. 2020 sah das Stückchen schon ganz schön aus, aber so richtig Schwung kam erst im Regensommer 2021 in die Sache. Die Wiese blühte toll und bunt und es wurden Fotos aus dem Bürofenster geschossen, auf denen man bildfüllend sieht, wie die Hasen in Armeslänge Entfernung in aller Ruhe die Blumen wegmümmeln.

Die Nachtkerze wurde um das Jahr 1620 als Zierpflanze von Amerika nach Europa eingeführt. (Foto: Dahl)

Heute dann die Nachricht; „Was ist das?“ Ein braunes fingerlanges Ungetüm, das bei Beunruhigung wild mit dem Hinterende wedelte, wollte aus der Wiese kommend ausgerechnet in die Büroräume eindringen. Eine Schlange? Natürlich nicht! Das Tierchen wurde in ein Glas gesperrt und in den Schatten gestellt, und der „Experte“ zu Hilfe gerufen.

Nachtkerzenschwärmer entwickeln sich bevorzugt auf jüngeren Brachflächen und und Wiesen, an deren Rändern und Böschungen Weidenröschen und Nachtkerzen blühen und wo nicht alle Vegetation bekämpft wird. Die Falter fliegen im Mai/Juni, legen ihre Eier an die erwähnten Pflanzen, und die erwachsenen, vollgefressenen Raupen suchen sich im Juli einen Verpuppungsplatz. Dabei laufen sie weit herum und geraten dann auch an Stellen, an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben.

Und wenn dann solch ein Untier vom Format einen Rostbratwürstchens quer durchs Büro wandert, haben manche Menschen zum ersten Mal Kontakt mit einem Respekt einflößenden Großinsekt. Dabei ist die Raupe völlig harmlos, kann vielleicht mit ihren Augenflecken einen Kleinvogel erschrecken, hat aber weder Stachel noch Beißzangen, und ist zudem streng geschützt! Der Nachtkerzenschwärmer gehört zu den Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie, die umfasst ingesamt 16 Schmetterlingsarten, die in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gelistet und deshalb nach Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt sind.

Das hilft dem Tier natürlich garnichts, wenn es in ein Bürogebäude gelaufen ist! Und deshalb wurde die Raupe „gerettet“, darf sich jetzt in einer Kiste mit Erde und Sägespänen verpuppen, und im nächsten Jahr als Falter die Umgebung erkunden. Vorher gab es aber noch einen ordentlichen Fototermin mit der stolzen Besitzerin der Raupe, auch wenn die „Schlange“ partout nicht auf die bloße Hand gesetzt werden durfte.

Leicht skeptisch: „Raupenmutter“ Claudi Ha (Foto: Dahl)
Macht einen auf Schlange: Die Raupe des Nachtkerzenschwärmers hat täuschend echte Scheinaugen. (Foto: Dahl)

An der Niederbergischen Allee entwickeln sich auf den frisch bebauten Grundstücken – wenn sie entsprechend angelegt und gepflegt werden – blütenreiche und damit insektenfreundliche Flächen mit zahlreichen seltenen Arten. Was den besagten Nachtkerzenschwärmer betrifft, so sollten die vorhandenen Bestände der Weidenröschen oder Nachtkerzen über den Sommer zumindest teilweise bestehen bleiben, um den Raupen eine vollständige Entwicklung zu ermöglichen.

Der Nachtkerzenschwärmer fliegt in der Dämmerung. Sitzt er in der Vegetation, ist er perfekt getarnt und kaum zu entdecken (Niederbergische Allee, 19. Juni 2020, Foto: Dahl)

Einsaat mit Regionalsaatgut, Streifenmahd mit Refugien z.B für die Insekten und Hasen, Erhaltung des Blütenangebots über einen möglichst langen Zeitraum, kein Dünger und vor allem kein Mulchmäher: Mit ein paar wenigen Kniffen kann praktisch jeder Grundstücksbesitzer seine Flächen in ein kleines oder großes Insektenparadies verwandeln. Eine ganz gute Vorlage bietet dazu die Broschüre des Landesamts für Naturschutz „Blühende Vielfalt am Wegesrand – Lanuv NRW – Land NRW“, die man umsonst beim Land NRW bestellen kann. Ein wenig Artenkenntnis bei den Pflanzen schadet dabei nichts, sonst hat man am Ende doch versehentlich die falschen Pflanzen abgesäbelt.

Bunt UND insektenfreundlich UND ordentlich aufgeräumt geht aber nicht immer zusammen. Eine lebendige Wiese ändert im Jahresverlauf ihr Gesicht, und ist für Freunde des Kurzrasens ein Graus. Umgekehrt ist der wöchentlich gemähte Rasen für Insektenkundler ein Schandfleck. Hier muss sich jede(r) entscheiden, wo die Reise hingehen soll!

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Artenvielfalt kommt auf sechs Beinen daher

Am 22. Mai war Internationaler Tag der biologischen Vielfalt. Der Gedenktag erinnert an den 22. Mai 1992, an dem der Text des Übereinkommens über die biologische Vielfalt von den Vereinten Nationen offiziell angenommen wurde. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) ist wohl das wichtigste internationale Abkommen im Bereich Naturschutz und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Der Tag geht seit fast dreißig Jahren an den den meisten Naturschutzorganisationen spurlos vorbei. Die Praktiker feiern Mitte Juni, wenn es auch was zu sehen gibt.

Mehr als 450 Arten sind mittlerweile auf der AGNU-Ökowiese gefunden worden. (Bild: observation.org)

Mitte Mai ist als fester Termin bei Naturfreunden, Artenkennern und Fotografen unbeliebt, die Gefahr, dass Veranstaltungen buchstäblich ins Wasser fallen, ist sehr groß. Hier hält man sich lieber an etablierte Termine wie den GEO-Tag der Natur (2. Wochenende im Juni) oder startet es gleich als neumodischen „Bioblitz“ bei stabiler Wetterlage. Jedenfalls ist um Mitte Juni herum die Phase, in der man in der freien Natur die meisten Arten finden kann, und die artenreichsten Tiergruppen finden sich bei den Insekten. Zu den „Big Five“ der artenreichsten Organismengruppen zählen Käfer, Fliegen und Mücken, Hautflügler, Schmetterlinge und die Schnabelkerfe (Wanzen und Zikaden).

Wie siehts in der Region aus?

Das Insektensterben ist in aller Munde, und auch im Rheinland und im Bergischen rund um Haan wird fleißig gestorben. Landwirtschaft die ihren Namen nicht verdient, Flächenverbrauch für Verkehr und Bebauung, falsche Pflege und sinnlose Zerstörung der Restbiotope, die Liste der Gründe ist lang, die Artenlisten im Gebiet entsprechend kurz. Wer sich dafür interessiert, der kann sich das für die einzelnen Biotoptypen genauer anschauen, die Region ist ziemlich gut untersucht und die Datenlage reicht mehr als 160 Jahre zurück.

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir viele Arten in der Region verloren, besonders im Offenland, in den Wäldern sieht es viel besser aus. Der Klimawandel bringt uns gleichzeitig neue oder lange verschollene Tierarten zurück, zum Beispiel den Eichenprozessionsspinner. Die Globalisierung spendet auch immer wieder Formen, auf die man gerne verzichten würde. Als Beispiel sei hier der Buchsbaumzünsler genannt.

Naturschutz im Ballungsraum

Die AGNU Haan e.V. betreut und entwickelt seit Jahrzehnten etliche Flächen auf Haaner Gebiet, unter anderen die ehemaligen Steinbrüche Grube 7 und Grube 10. Die Mitglieder organisieren Streuobstwiesen- und Kopfweidenpflege, betreuen zahllose Nisthilfen, führen Exkursionen durch, sammeln Müll und engagieren sich darüber hinaus in zahlreiche naturwissenschaftlichen Vereinen wie dem Naturwiss. Verein Wuppertal. Als sogenannte „Träger öffentlicher Belange“ nimmt der Verein zudem Stellung zu vielen Planungsvorhaben und versucht damit der weiteren Umweltzerstörung, dem massiven Flächenverbrauch, dem Klimawandel und Artensterben die Stirn zu bieten.

An dieser Stelle wollen wir diese Frage mal umkehren und fragen, was OHNE den Einsatz der AGNU-Mitglieder auf Haaner Gemarkung an erlebbarer Landschaft, Artenvielfalt und Lebensraum für Tiere und Pflanzen noch übrig wäre. Im Durchschnitt gehen in Nordrhein-Westfalen noch immer mehr als 10 Hektar Freiraum durch neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßenbau, Tagebau, Kies-Abbau und andere Abgrabungen unwiederbringlich verloren. Tag für Tag! Und nach vielen Jahren unter SPD-Regierungen machen es Schwarze und Gelbe nicht besser: Mit der Streichung des Fünf-Hektar-Zieles aus dem Landesentwicklungsplan haben CDU und FDP 2019 auch die Aussicht auf Besserung beerdigt.

Der Kreis Mettmann ist mit 485.000 Einwohnern auf gut 400 Quadratkilometern Kreisfläche der Landkreis mit der höchsten Bevölkerungsdichte in Deutschland. Überall im Außenbereich wimmelt es von Spaziergängern und Joggern, Pferden und Reitern, Mountainbikern, Hundespaziergängern samt Hinterlassenschaften. Für den Naturschutz bleibt nur Restflächenverwaltung, da hilft auch kein Neanderlandsteig (der übrigens auffallend oft an den von der AGNU gepflegten Gebieten entlang führt).

Bringt das denn was?

Am Beispiel der „Ökowiese Kriekhausen“ möchte ich an dieser Stelle einmal etwas tiefer einsteigen. Zur Erinnerung: Der Stadtrat von Haan hat im Jahr 2007 beschlossen, eine etwa 13 Hektar große Fläche zwischen Gruiten und der A46 zu „entwickeln“, wie das so schön heißt. Die Planung stammte noch aus den 90er Jahren. Heute stehen dort, wo früher Kiebitz und Schafstelze brüteten, einige mehr oder weniger hübsche Industriehallen.

Die AGNU hat 2018 die Pacht einer ehemaligen Ackerfläche übernommen, als sogenannte „Ausgleichsfläche“ für den 2. Bauabschnitt des Industriegebiets, das einmal,  vermarktungsförderlich, „Technologiepark Champagne 2“ heißen sollte. Die Stadt als Planungsträger half bei der Einsaat, sicherte das Gelände mit einem Zaun gegen ungebetene Besucher, 2018, 2019 und 2020 gabe es durch die trockenen Frühjahrsmonate reichlich Insekten, dafür um so weniger Heu-Ertrag.

Die Fläche liegt zwischen Industriegebiet und Autobahn, nachts strahlen die Flutlichter des Industriegebiets, es gibt massig Lärm, Müll und – überraschend hohe Artenvielfalt.

Woher wir das wissen? Seit Beginn der Einsaat versuchen wir den Zustand der Ökowiese Kriekhausen zu erfassen und dokumentieren, unterstützt von Botanikern der Biostationen und des Bochumer Botanischen Vereins. Schon bei der Einsaat wurde auf sogenanntes „Regional-Saatgut“ geachtet, wer Details dazu wissen möchte, der findet sie auf den Seiten von Rieger-Hofmann, dem größten Anbieter von zertifiziertem Wildsaatgut.

Von Acker-Witwenblume bis Wilde Möhre waren so schon mal mehr als 30 Gefäßpflanzen-Arten im Saatgut enthalten, hinzu kamen zahlreiche Ackerwildkräuter, die der Glyphosatspritze der Vornutzer entgangen waren. Der Acker-Schachtelhalm beispielsweise und viele andere „Unkräuter“ waren schon in der Fläche zu finden, Arten wie der Zottige Klappertopf wurde zusätzlich eingebracht, das Saatgut stammt aus Dormagen. Momentan sind auf der Gesamtfläche mehr als 130 Pflanzenarten kartiert worden, besonders spektakulär ist der Blütenaspekt der Margeriten, der sich sogar auf Satellitenbildern durch die weiße Farbe hervorhebt.

Insgesamt erfüllte die Fläche praktisch aus dem Stand heraus die Kriterien des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) für hochwertiges Grünland. Das ist allerdings keine große Kunst, man kauft es sich praktisch mit der Samenmischung. Die Kartieranleitungen des LANUV sind im übrigen ein hüscher Hokuspokus, und nur etwas für hartgesottene, man muss Lizenzgebühren zahlen um die überkomplexe Software installieren zu dürfen, und die dahinter liegende Datenbank ist nicht öffentlich zugänglich.

Digitales Notizbuch

Das alles geht einen ehrenamtlich tätigen Verein nichts an, und so haben wir uns nach einer Möglichkeit umgeschaut, die Entwicklung der Fläche und Erfolgskontrolle der Maßnahmen transparent und frei zugänglich zu dokumentieren. Die Antwort lautet: observation.org. Die Webseite mit dahinter liegender Datenbank bietet Laien und Profis fast alle Möglichkeiten, ihre Beobachtungen und Fotos zusammen mit den Verbreitungsdaten zu einem Digitalen Notizbuch zusammenzustellen. Zugehörige Handy-Apps bieten Bestimmungshilfe, Schulungs-Videos, professionelle Betreuung der Tier- und Pflanzengruppen durch ein Expertenteam .- und alles umsonst!

Ökowiese Kriekhausen: Entwicklung der bei observation.org registrierten Artenzahlen

Wie man aus der Grafik oben ersehen kann sind mittlerweile mehr als 450 Arten auf dem Gelände der Ökowiese dokumentiert worden, sehr viele davon mit Fotos. Man sieht die Artenzahlen über die vergangenen Jahre wie in Treppenstufen ansteigen, im Sommerhalbjahr steigen die Zahlen rasch, im Winterhalbjahr kommt oft monatelang nichts neues dazu. Die Hauptverdächtigen AGNU-Mitglieder, die diese Beobachtungen zuliefern, sind Sigrid und Joop van de Sande, Uwe Raabe, Dick Schakel und der Autor dieser Zeilen. Hinzu kamen ein paar Profi-Botaniker vom Bochumer Verein und Mitarbeiter von verschiedenen Biostationen.

Fuchs, Hase, Dachs, Reh, ein paar Mäusearten, bei den Säugetieren kommt man nicht auf große Zahlen, es sind nur etwa 80 Arten in NRW nachgewiesen, inclusive der Fledermäuse. Was in der Wiese irgendwie fehlt sind Allerweltsarten wie der Maulwurf, der einfach den Weg noch nicht gefunden hat. 37 Vogelarten machen den Kohl auch nicht fett, bemerkenswert führen Turmfalke, Mäusebussard und Graureiher die Liste der Beobachtungen auf der Ausgleichsfläche an, die leben gut von den bereits erwähnten Mäusen. Auf dem Zug ist das Braunkehlchen regelmäßig zu sehen, nutzt die Fläche für ein paar Tage. Eine einsame Feldlerche brütet im dritten Jahr hintereinander am Rand unserer Fläche, wahrscheinlich sind auf Haaner Gebiet weniger als fünf Brutpaare übrig, eine Schande der besonderen Art. Kiebitz und Schafstelze haben wie erwartet den Abgang gemacht, der „Ausgleich“ muss auf andere Weise erfolgen, das lässt sich nicht schönreden.

Knapp 40 Arten nachgewiesene Fliegen, die meisten davon Schwebfliegen: Hier zeigt sich die Tücke der Objekte. Fliegen zu bestimmen ist nicht gerade einfach, es gibt tausende von Arten, und kaum jemand kennt sich aus damit. Das betrifft auch das gute Dutzend nachgewiesenen Käferarten, hier haben wir die Oberfläche der Artenvielfalt erst angekratzt. Auf die 29 Tagfalterarten, die in Kriekhausen nachgewiesen wurden, können wir schon ein wenig stolz sein! Mehr geht im Kreis Mettmann kaum. Aber Glück war auch dabei, der Schwalbenschwanz zum Beispiel vermehrte sich in den trockenen Jahren 2018-2020 ganz prächtig und wurde vielfach fotografiert. Die Tagaktiven Insekten nutzen das gigantische Blütenangebot der Wiese, und sei es auch nur auf der Durchreise, wie zum Beispiel beim Distelfalter, der riesige Entferungen zurücklegen kann.

Etwas besser sieht es bei den Nachtfaltern aus, das ist mein Spezialgebiet, und auch da ist über die Jahre mit dem drei- bis vierfachen der bisher nachgewiesenen 140 Arten zu rechnen. Die meisten Nachtschmetterklinge („Motten“) kartiert man mittels Lichtfang, undwir haben erst ein paar wenige Abende genutzt um das Spektrum an Arten zu erfassen. Immerhin gelangen dabei ein paar bemerkenswerte Nachweise, zum Beispiel vom Nachtkerzenschwärmer oder der Gelben Leimkrauteule, von der es erst drei Nachweise aus NRW gibt. Zwei davon stammen aus dem üppig blühenden Randstreifen entlang der „Ökowiese“.

Vermehrt sich im Randstreifen entlang der Niederbergischen Allee: Gelbe Leimkrauteule Conisanio luteago. 20. Juni 2020 (Foto: Dahl)

Insgesamt muss man damit rechnen dass die Artenvielfalt weiter zunimmt, jedenfalls wenn wir die Fläche weiter so behandeln wie geplant: Später und hoher Wiesenschnitt inklusive Refugialflächen und Altgrasstreifen, keine Düngung, kein Walzen und Schleppen, großzügige jährlich wechselnde Brachstreifen rundum. Und natürlich reichlich Beobachtungszeit und Dokumentation.

Aus vielen Organismengruppen haben wir noch keinerlei Daten, die Pilze zum Beispiel versprechen noch eine lange Artenliste, wenn sich mal ein Spezialist der Sache annimmt. Eine wenig beachtete Gemeinschaft von Land-Gehäuseschnecken sind typische Wiesenbewohner, aber diese Arten müssen wir wohl künstlich einbringen, die kommen nicht so leicht über die A46 ins Gebiet wie die Fluginsekten. Nicht alles vom Saatgut ist aufgegangen, und einige Arten müssen wir wohl in Töpfen vorziehen und auspflanzen. Und alles soll nach Möglichkeit aus der Region kommen, ohne Faunen- und Florenverfälschung, mit genetisch an die hiesigen Bedingungen angepasstem Saatgut. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Wer hier eine Idee hat oder mit Mahdgut aus der Region helfen kann, oder „nur“ eine Spende in die AGNU-Kasse leistet: Wir sagen Danke und bleiben dran!

Wir sehen uns dann!

Der Sommer 2021 hat sich Zeit gelassen, aber jetzt ist er da! Am kommenden Sonntag (13.6.2021) geben wir bei der 2. Haaner Wiesenlust Gelegenheit, sich die Wiese am Rande von Gruiten aus der Nähe anzuschauen. Zum Abschluss noch ein paar Bilder von Schmetterlingen, die seit Anfang Juni 2021 auf der Ökowiese in Kriekhausen festgestellt wurden. Mit dem Handy abgelichtet, oder wie das heute heißt: out of cam, zum Durchklicken. Es muss ja nicht immer gleich ein Korallenriff sein, die Farben- und Formenvielfalt der einheimischen Arten ist ebenfalls phantastisch!

Literatur und Links:

Tim Laussmann, Armin Dahl & Armin Radtke (2021: Lost and found: 160 years of Lepidoptera observations in Wuppertal (Germany). Journal of Insect Conservation 25: 273–285

Dahl, Armin & G. Swoboda (2020): Ein Nachweis der Braungelben Leimkrauteule Luteohadena luteago (Denis & Schiffermüller, 1775) im Bergischen Land. Melanargia 32 (3): 150-154

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2. Haaner Wiesenlust, Sonntag, 13. Juni 2021

Die AGNU-Wiesen an der Niederbergischen Allee in Gruiten dürfen normalerweise nicht betreten werden. Einmal im Jahr öffnen wir jedoch die Pforten zur Wildblumenwiese!

Wann: am kommenden Sonntag, 13. Juni 2021 von 10-13 Uhr

Wo: an der Niederbergischen Allee in Haan-Gruiten

Jeder ist herzlich eingeladen, sich einen Strauß Blumen zu pflücken und den Zauber einer kleinen Oase für Mensch, Tier und Pflanzen zu genießen. Wer sich so eine Wildblumenwiese nach Hause holen möchte, wird gerne von uns beraten.

ÖPNV: Bus Linie 742, Nächste Haltestelle ist Millrather Straße / Hochstraße

Der Zugang zur Oase ist in Gruiten an der Niederbergische Allee in Höhe des Kreisverkehrs.

Parken kann man am Rand der Niederbergischen Allee östlich von Kriekhausen.

Besucher werden gebeten, zu Fuß oder mit dem Rad zu kommen!

Es gelten die üblichen Regeln des Kreises Mettmann zum Schutz vor der Corona-Pandemie.




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Vom Rasen zur Wildblumen-Oase

Vielleicht haben Sie es die letzten Sommer auch so erlebt. Man sprengt seinen Rasen währen der Hitzeperiode fast täglich, und trotzdem sieht er nach einigen Wochen ziemlich mitgenommen aus. Der Grund: Die Grassorten in den gängigen Regelsaatmischungen sind abhängig von viel Dünger und viel Wasser.

Nur so sind die Gräser in der Lage, alle anderen Pflanzen zu verdrängen. Man sieht jetzt nach einigen Hitzesommern immer mehr Rasenflächen, in denen diese Gräser gelitten haben. Vor allem bei älteren Rasen ergeben sich dann Lücken, die bald von ersten Pionieren wie Schafgarbe, Gänseblümchen, Vogelmiere oder Behaartem Schaumkraut genützt werden.

Behaartes Schaumkraut (Cardamine hirsuta): Gutes Bienenfutter im Frühling. (Foto: Dahl)

Das freut vor allem unsere Wildbienen. Die letzten drei Arten sind Frühblüher und blühen schon, wenn die ersten Wildbienen schlüpfen. Den Rasen neu einzusäen ist aufwendig und nicht nötig. Man kann diese Entwicklung zu einem farbenfrohen Blumenrasen auch unterstützen.

Das Gute ist: Für unsere einheimische Natur sind diese klimatischen Herausforderungen nichts Neues – sie hat dies über die Jahrtausende öfters erlebt und „gelernt“, damit umzugehen. Gebietsheimisches Saatgut – wie vom Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten (VWW) zertifiziert – hat deswegen wesentlich bessere Voraussetzungen. Dieses enthält nur Arten, die sich in unserer Region an die unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen angepasst haben.

Aussaat in Rasenlöcher (Foto: agnukiebitz)

Ein plattgemachter Maulwurfshügel ist eine gute Aussaatstelle. Auch eine kahle Stelle im Rasen. Oder Sie stechen ganz einfach ein Stück Rasen – z.B. 30 x 30 cm – aus und füllen es mit etwas Mutterboden auf. Oben auf ein feinkrümeliges Saatbeet säen Sie dies recht dicht (40 bis 50 Samen) mit einer Art von Wildblüten ein – jedoch keiner Samenmischung. Der Grund: die Konkurrenz innerhalb der eigenen Art ist deutlich geringer als die mit anderen Arten. So sind dann genügend Jungpflanzen da, die sich gegenseitig vor herandrängendem Graswuchs schützen können. Festklopfen des Bodens nicht vergessen: Blumensamen brauchen Bodenschluss, jedes Samenkorn sollte dicht von Erde umgeben sein. Die ersten 8 Wochen nicht austrocknen lassen!

Der Blumenrasen kann 8-15-mal jährlich nach Bedarf gemäht werden. Wenn die Fläche nur dreimal gemäht wird, entwickelt sie sich zur Blumenwiese – auch eine schöne Möglichkeit.

Abschnittsweise mähen, Mahdgut abräumen!

Margerite mit Brauner Tageule (Euclidia glyphica). Foto: agnukiebitz

Schön für die Insekten ist es, wenn nur Teilbereiche der Blumenrasen gemäht werden, die nicht gemähten Flächen dann beim nächsten oder übernächsten Mal. So sind immer blühende Blumen vorhanden und kann jedes Mal eine neu geformte Blumeninsel entstehen. Das Mahdgut sollten Sie von der Fläche abräumen, so können Sie den Boden abmagern, was wiederum den Wildblumen gefällt. Bitte nicht kürzer als 8 cm mähen, um die bereits aufgelaufenen Wildblumen nicht zu beschädigen.

Die AG Natur und Umwelt e.V. Haan (AGNU) bietet wieder wie im vergangenen Jahr ein kostenloses Saatgut-Set von zertifiziertem regionalem Saatgut von einheimischen Wildpflanzen an, die sich in einem Blumenrasen wohl fühlen. Die Zusammenstellung ist nicht dieselbe wie im Vorjahr, so dass man sie auch als „Erweiterungsset“ nützen kann.

Eine Art, die neu im Paket ist, ist die Vogelwicke. Wie viele Schmetterlingsblütler ist sie beliebt bei Faltern, aber auch bei einigen auf Pollen von Schmetterlingsblütlern spezialisierten Wildbienen. Vielleicht besucht sogar die in NRW relativ seltene Mai-Langhornbiene Ihre Blumenrasen. Also Augen aufhalten!

Sie können ein Startpaket mit Saatgut von 9 Wiesenwildblumen (Wiesen-Margerite, -Storchschnabel, -Labkraut, Acker-Witwenblume, Kleiner Klappertopf, Moschus-Malve, Wirtgenes Labkraut, Gewöhnliche Schafgarbe und Vogelwicke) per E-Mail kostenlos bestellen: kiebitz-kompakt@AGNU-Haan.de . Wir schicken Ihnen dann ein Startpaket, solange der Vorrat reicht, mit weiteren Infos zu. Wir freuen uns über eine Spende.

Aussaatzeitraum und sonstige Tipps
Günstige Aussaatzeitpunkte sind Februar – Mai oder Ende August – Anfang Oktober (vorzugsweise bei feuchte Witterung). Das Saatgut wird auf das feinkrümelige Saatbeet nur obenauf gesät. Das erforderliche „Anklopfen“ (z.B. mit einer Schaufel) des Saatgutes sorgt für den benötigten Bodenkontakt und eine gleichmäßige Keimung. Bei Aussaat in trockenen Monaten sollte die ersten 8 Wochen jeden zweiten Tag gewässert werden.

Pflege
Gräser weiterhin kurz halten, bis die neu ausgesäten Stauden Rosetten gebildet haben. Anfang Mai des Folgejahres nochmals einen Pflegeschnitt durchführen. Erst jetzt wachsen und blühen lassen. Die Schnitthäufigket in den folgenden Jahren richtet sich nach Standort und gewünschten Pflanzenbestand. Eine Düngung sollte unterlassen werden. Je magerer der Boden, umso blütenreicher entwickeln sich die Wildblumen.

Autor: Joop van de Sande


Ihre Spende

Spendenkonto der AGNU bei der Stadtsparkasse Haan:
IBAN DE37 3035 1220 0000 2210 85
BIC WELADED1HAA

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